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Die WELT zum Fracking-Gesetz

Fracking-Gesetz

Die WELT 01.04.15

"Regierung knickt vor den Konzerninteressen ein"

Umweltpolitiker und -aktivisten attackieren das verabschiedete Fracking-Gesetz. Ministerin Hendricks (SPD) muss es verteidigen, obwohl sie die Methode der Erdgasgewinnung selbst gerne verbieten würde.

Von Claudia Ehrenstein

Monatelang hatte der Gesetzentwurf zum Fracking im Kanzleramt auf Eis gelegen, hatte die große Koalition noch über Details verhandelt. Am Mittwoch nun hat das Bundeskabinett ein umfassendes Regelungspaket zum Umgang mit der umstrittenen Technologie verabschiedet. Umweltschützer laufen Sturm dagegen und warnen vor einem "Fracking-Ermöglichungsgesetz". Vor dem Bundeskanzleramt protestierten sie mit einer symbolischen Bohrung und forderten ein generelles "Fracking-Verbot", weil die Technologie mit hohen Risiken verbunden sei.

Auch Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) sprach von einer "Mogelpackung" und warf der Bundesregierung vor, "vor den Interessen einiger weniger Konzerne eingeknickt" zu sein. Die Grünen-Energieexpertin Julia Verlinden warnte, das Gesetz eröffne neue Möglichkeiten, "noch die letzten von klimaschädlichen Brennstoffen aus dem Boden zu pressen.

Mit dem Gesetzespaket will die Bundesregierung erstmals einen umfassenden Rechtsrahmen für den Einsatz der Technologie schaffen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verteidigte das Projekt gegen Kritik. "Wir regeln einen ungeregelten Zustand", sagte Hendricks bei der Vorstellung des Gesetzespakets in Berlin. Es werde nichts ermöglicht, was verboten war. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall.

"Es wird vieles verboten, was bislang möglich ist." So sollen in Wasserschutzgebieten sämtliche Fracking-Maßnahmen ausgeschlossen werden. Auch in der Umgebung von Heilquellen, in Einzugsgebieten von Seen und Talsperren, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, darf nicht gefrackt werden, das gilt ebenso für Nationalparks und Naturschutzgebiete.

Die Bundesländer haben darüber hinaus die Möglichkeit, das Verbot auf sämtliche Stellen auszuweiten, aus denen Wasser zur Herstellung von Getränken entnommen wird. Damit, so Hendricks, sei auf die Bedenken etwa von Bierbrauern reagiert worden, die gewarnt hatten, durch Fracking werde das deutsche Reinheitsgebot bedroht. Hendricks versicherte: "Der Schutz der Gesundheit und der Schutz des Trinkwassers haben absolute Priorität." So haben es Union und SPD auch in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Auf den Einsatz umwelttoxischer Substanzen, so heißt es da, solle verzichtet werden.

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in einem Bohrloch unter hohem Druck in die Tiefe gepresst, um Öl und Gas aus dem Gestein zu lösen. In jetzt vom Kabinett verabschiedeten Regelungspaket wird dabei ausdrücklich zwischen konventionellem Fracking im Sandstein und unkonventionellem Fracking im Schiefergestein unterschieden.

Konventionelles Fracking wird in Deutschland bereits seit den 1960er-Jahren praktiziert, vor allem in Niedersachsen und auch in Schleswig-Holstein. Das soll auch weiterhin möglich sein, allerdings mit strengeren Auflagen. Geplant ist die Einführung einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung. Das unkonventionelle Fracking im Schiefergestein zu wirtschaftlichen Zwecken dagegen, wie es in den USA eingesetzt wird, soll bis auf Weiteres verboten werden. Erlaubt werden lediglich Erprobungsbohrungen, die wissenschaftlich intensiv begleitet werden. So muss etwa das Grundwasser regelmäßig kontrolliert werden.

Erprobungsbohrungen geplant

Ein generelles Fracking-Verbot, wie es von den Gegnern der Technologie gefordert wird, ist laut Hendricks verfassungsrechtlich problematisch. "Wir können eine Technologie nicht einfach verbieten", sagte Hendricks, machte aber keinen Hehl daraus, dass sie die Technologie eigentlich für überflüssig hält: "Fracking ist nicht die Antwort auf unsere Energiefragen. Das ist die Energiewende."

Für das unkonventionelle Fracking sieht der Gesetzentwurf besonders hohe Hürden vor, weil es mit insgesamt höheren Risiken verbunden ist. Die Schiefergas-Lagerstätten liegen näher an der Oberfläche und damit näher an Grundwasservorräten als jener Sandstein, in dem konventionell gefrackt wird. Fracking im Schiefergestein erfordert zudem mehr Frack-Vorgänge; pro Vorgang müssen größere Flüssigkeitsmengen und damit mehr Chemikalien eingesetzt werden als bei der konventionellen Methode.

Erprobungsbohrungen müssten nun zeigen, ob die Schiefergas-Gewinnung überhaupt umweltverträglich möglich sein werde, sagte Hendricks. Die Kosten pro Probebohrung würden sich auf rund 30 Millionen Euro belaufen. Eine großflächige kommerzielle Förderung von Schiefergas ist nicht ausgeschlossen.

Auch Kritik von Umweltfreunden aus der Union

Allerdings können Unternehmen erst nach 2018 eine Genehmigung für die wirtschaftliche Nutzung beantragen. Es soll eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt werden, deren sechs Mitglieder die Anträge bewerten und den zuständigen Genehmigungsbehörden der Länder eine Empfehlung abgeben sollen. Im Vorfeld der Kabinettsbefassung hatte es Kritik an diesem geplanten Gremium gegeben. Die SPD-Fraktionsvizes Ute Vogt und Hubertus Heil forderten, den Bundestag jeweils über die Anträge entscheiden zu lassen.

Einer Gruppe um den Unionsabgeordneten Andreas Mattfeld (CDU) gehen die Umweltauflagen nicht weit genug, etwa was den Umgang mit dem zum Teil hochgiftigen sogenannten Lagerstättenwasser betrifft. Hendricks zeigte sich offen für Änderungsvorschläge der Koalitionsfraktionen, sofern sie "mehrheitsfähig und fachlich verantwortlich" seien. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) forderte zügige Planungssicherheit für alle Beteiligten: "Wir werden noch intensive Verhandlungen im Gesetzgebungsverfahren vor uns haben."

Schiefergas würde für 14 Jahre reichen

Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe lagern in Deutschland rund 13 Billionen Kubikmeter Schiefergas, von denen etwa zehn Prozent förderbar sind. Das würde rechnerisch etwa 14 Jahre den Erdgas-Bedarf in Deutschland decken.

Um künftig klar zwischen konventionellen und unkonventionellem Fracking unterscheiden zu können, wird in dem Gesetzentwurf die sogenannte 3000-Meter-Grenze eingeführt: Da die Lagerstätten mit Schiefergas in Deutschland in der Regel in Tiefen bis 3000 Meter liegen, erstreckt sich das generelle Fracking-Verbot auf Tiefen oberhalb von 3000 Metern, unterhalb von 3000 Metern wird das konventionelle Fracking erlaubt.

Grundsätzlich sollen beim Fracking nur Flüssigkeiten verwendet werden, die das Grundwasser nicht gefährden. Der Rückfluss des Fracking-Gemisches, der sogenannte Flowback, muss nach dem Stand der Technik entsorgt werden; das Verpressen in die Tiefe wird nur in Ausnahmefällen erlaubt.

Nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte, dass es kein vollständiges Verbot für das unkonventionelle Fracking geben soll, kritisierte aber zugleich die vielen Auflagen. "Es ist ein positives Signal, dass die Schiefergas-Gewinnung in Deutschland nicht mehr völlig ausgeschlossen wird. Doch die Auflagen für die Erdgasförderung insgesamt sind vollkommen überzogen", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber.

So ist auch vorgesehen, die Beweislast bei Schäden durch Fracking umzukehren. Künftig müssen nicht mehr die Bürger diesen Zusammenhang beweisen, sondern die Unternehmen müssen nachweisen, dass zum Beispiel ein Erdbeben nicht auf Fracking-Aktivitäten zurückzuführen ist. Den entsprechenden Gesetzentwurf hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgelegt, ebenso wie die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Für sämtliche wasser- und naturschutzrechtlichen Vorschriften ist Hendricks zuständig.

Der Bundestag muss dem Gesetzespaket noch zustimmen; im Bundesrat ist es nicht zustimmungspflichtig. Das Vorhaben war in einem ersten Anlauf vor zwei Jahren gescheitert, weil die Vorschläge der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung nach Ansicht einiger Unions-Abgeordneter keinen ausreichenden Wasserschutz geboten hatten

 

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