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Kommentar Oktober 2010
Atomkraft - Nein Danke: Wer solch einen Button vor dreißig Jahren auf seiner Jacke trug, der galt als links und wählte unter Garantie die GRÜNEN oder auch die SPD. Heutzutage ist das nicht mehr so eindeutig – und das ist eines der Probleme von CDU und FDP in diesem Atomstreit. Denn die Bevölkerung ist mehrheitlich gegen eine Verlängerung der Atomlaufzeiten, das sagen aktuelle Umfragen der Meinungsforscher von ‚emnid’, die diese im Auftrag des Umweltverbandes WWF durchgeführt haben. 59 Prozent der Deutschen sind unzufrieden mit dem schwarz-gelben Energiekonzept und 69 Prozent glauben sogar, dass es lediglich zu höheren Gewinnen der Stromkonzerne führt, denn die Preise für Strom bilden sich ohnehin an der Börse. Atomkraftwerke sind buchhalterisch abgeschrieben. Der Vorteil der Konzerne: Bei der vorgesehenen Verlängerung der Laufzeit von durchschnittlich zwölf Jahren haben die Betreiber der Atomkraftwerke RWE, EnBW, E.on und Vattenfall 97,7 Milliarden € mehr in der Kasse. Verlängerte Laufzeiten werden uns jedoch weder billigere Strompreise noch eine größere Verlässlichkeit bieten.
Die CDU-Länderchefs äußern sich je nach Interessen in ihrer Region. Stehen da Atomkraftwerke, sind sie im Zweifel mit Blick auf die Arbeitsplätze und die Stromkonzerne dafür. Ist die Solar- oder Windkraft einer der Bausteine ihrer Energie-Industrie, sind sie dagegen. Genauso ist es mit der Regierung selbst: FDP-Chef Rainer Brüderle bandelt mit der Atomwirtschaft an, während Umweltminister Norbert Röttgen den grünen Schwarzen gibt.
Was dieser Streit zeigt: Ein Revival der Atomkraft will offenbar in Deutschland niemand mehr. Und Kanzlerin Angela Merkel hat sich wohl schon öfter gefragt, warum sie bloß den Atomausstieg wieder infrage gestellt hat. Denn egal wie es jetzt ausgeht: Beifall wird die Koalition für ihre Politik nicht bekommen. Denn eines sagen Experten von Umweltbundesamt bis hin zu Wirtschaftsinstituten seit Wochen: Wir brauchen die Atomkraft in Deutschland nicht mehr.
Mittlerweile sind die Energien aus Sonne, Wasser und Wind so ausgebaut, dass sie langfristig die Atomkraft und die schmutzige Kohle ersetzen können. Was wir eventuell brauchen werden sind zusätzliche Gaskraftwerke, aber die sind längst nicht so umstritten wie die alten Meiler.
Die amtierende schwarz-gelbe Regierung hat sich von Umfragen nicht beeindrucken lassen. Weil sie das Geld der Brennelementesteuer schon fest im Sparhaushalt eingeplant hat, hat die Koalition die Steuer im Kabinett abgenickt und am 28. Oktober 2010 im Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit mit 308 von 332 möglichen Stimmen beschlossen und will den mit den Energiekonzernen ausgehandelten Vertrag wie geplant am Bundesrat vorbeischleusen. Doch damit kehrt kein Frieden ein. Denn die GRÜNEN und die SPD haben noch mal bekräftigt, dass sie gegen den Vertrag vor dem Bundesverfassungsgericht klagen werden. Noch aber sind den Klägern die Hände gebunden. Erst wenn Bundespräsident Wulff unterschrieben hat und die Verlängerungen der Laufzeiten zusammen mit den weiteren Vorhaben des Energiekonzepts der Bundesregierung im Bundesanzeiger veröffentlicht worden sind, kann der Gang nach Karlsruhe offiziell werden.
Selbst wenn die Klage keinen Erfolg zeigen sollte, wird die Opposition, sobald sie an der Regierung sein sollte, den Vertrag wieder außer Kraft setzen.
Es war eine hitzige Debatte der Superlative im deutschen Bundestag am 28. Oktober 2010: Die Kanzlerin sprach von „Revolution“, die Trauer tragenden Grünen von „Putsch“ und die SPD von der „Spaltung der Gesellschaft“. Große Töne, mit viel Engagement hervorgebracht, aber für was eigentlich? Dafür, dass die Atomkraftwerke in Deutschland im Durchschnitt zwölf Jahre länger laufen als geplant? Um die schlichte Laufzeitverlängerung an sich geht es dabei schon lange nicht mehr.
Das Thema Atomenergie ist in Deutschland kein sachliches Thema, wie die CDU gern behauptet und es wird nie ideologiefrei geführt werden, dafür ist der Einsatz der Atomkraft viel zu eng verknüpft mit dem Entstehen der Umwelt- und Anti-Atomkraft-Bewegung. Umso erstaunlicher ist es, dass die schwarz-gelbe Koalition sich mit so wenig Fingerspitzengefühl an dieses Thema herangetraut hat. Sie gefährdet ohne Not einen politischen Frieden, der dieses Land jahrzehntelange auch gewalttätige Auseinandersetzungen und viel Geld für Polizeieinsätze gekostet hat. Sie peitschte einen Vertrag mit den Energiekonzernen in einem Tempo durch den Bundestag, dass es zu tumultartigen Zuständen in den Ausschüssen kam und wunderte sich dann über den Widerstand im Parlament und auf der Straße.
Atomdemos sind unter Jugendlichen wieder salonfähig, das verdanken wir in diesem Herbst 2010 der schwarz-gelben Regierung – herzlichen Dank, Frau Merkel! Endlich ist wieder etwas los im Land – Atomkraftgegner nämlich. So sieht die Energie-Revolution dieser Regierung aus. Greenpeace ist der CDU ja schon mal aufs Dach gestiegen – nämlich aufs Konrad Adenauer Haus, das Kanzleramt wurde von einer Menschenkette umringt. Und im Bundestag gab es eine Lautstärke, dass man es noch im Wendland hätte hören können.
„Atomkraft – ja bitte“. Union und FDP wollen es so, auch weil es vier Energiekonzerne so wollen – Immerhin irgendwer.
„Brückentechnologie Atomkraft“ lautet nett der Slogan. Im Parlament hat man die Brückenpfeiler gesetzt und z.B. Krümmel ein längeres Leben geschenkt. Auf den Straßen, und Castorengleisen werden die Atomfreunde demnächst dann sehen, wie ihre Brücke zur Krücke wird. Das Bundesumweltamt, der Umweltrat der Bundesregierung, die eigenen Experten, nicht Strickpulli tragende Müslis, sie alle warnten vergeblich. 196 Betriebsjahre zusätzlich für die 17 Kernkraftwerke im Land.
Was das mit ökologischer Revolution für Deutschland zu tun hat? Revolutionsführer Röttgen allein wird es wissen.
„Energiepolitische Blindgänger“ hat der Umweltminister heute seine Kritiker genannt. Röttgen muss aufpassen, dass ihm die vermeintlichen Blindgänger demnächst nicht vor dem Bundesverfassungsgericht lautstark um die Ohren fliegen. Und seine Brückentechnologie samt Energie-Revolution gleich mit.
Es hätte auch anders und im Konsens gehen können: Mit einem Konzept für ein schnelleres Umsteuern auf regenerative Energien, mit einem Aus für Atom und Kohle und mit effizienteren Maßnahmen für das Energiesparen bei Gebäuden und dem Auto. Die Milliarden für den maroden Haushalt hätte sich Finanzminister dann allerdings woanders beschaffen müssen.
Vorausschauende Energiepolitik sieht anders aus.
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