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30. Januar: Runder Tisch Willkommenskultur

Ratzeburg will Willkommenskultur für Flüchtlinge einrichten

Ratzeburgs BürgerInnen sind in Sachen Minderheitenschutz immer einen Schritt weiter. Nach der Bildung eines „Bündnis gegen Rechts“ wollen jetzt die Stadt Ratzeburg und der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg den „Runden Tisch Willkommenskultur und Flüchtlingsbegleitung“ auf den Weg bringen. Zur Auftaktveranstaltung im gut gefüllten Ratssaal gab es Eingangsreferate von Stefan Schmidt (Flüchtlingsbeauftragter für Schleswig-Holstein), Burkhard Peters (MdL Bündnis 90/Die Grünen) und Esmath Shirazi (geb. Iranerin, Mitarbeiterin im Projekt Willkommen im Kreis Herzogtum Lauenburg in der Asylantenunterkunft Gudow). Die Gesprächsleitung hatten Pastorin Elisabeth Hartmann-Runge und Bürgermeister Rainer Voß.

Stefan Schmidt berichtete, dass er seinen anfänglichen Unmut über Schwierigkeiten bei der Hilfe für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein in ein Lob gewandelt hätte: „Wir haben jetzt in Kiel eine Koalition, mit der man etwas anfangen kann.“ Zu kritisieren sei die Einteilung in „gute und böse“ Flüchtlinge. Er wies insbesondere auf nicht belastbare Zahlen in der Flüchtlingsstatistik hin, denn ca. 500.000 seien untergetaucht. Meist seien sie mit einem Visum gekommen, was nach dem Ablauf aus Angst vor Abschiebung nicht verlängert worden sei. Diese Menschen lebten in permanenter Angst, erkannt zu werden. Die Umsetzung einer Willkommenskultur müsse jetzt angepackt werden, denn dies stehe ja auch im Koalitionsvertrag der Kieler Regierung.

Burkhard Peters, der seit Jahrzehnten juristischen Beistand für Asylanten und Flüchtlinge leistet, beleuchtete die rechtliche Seite. Die Rechtsmaterie sei kompliziert und deshalb schwierig, weil in den Herkunftsländern die unterschiedlichsten politischen, sozialen und menschenrechtlichen Zustände herrschen. Diese müssten bei der Prüfung eines zu schützenden Fluchtschicksals erkannt und berücksichtigt werden. Burkhard stellte am Beispiel der anerkannten Asylbewerberin nach Art. 16 a Grundgesetz bis zum in Deutschland untergetauchten „Illegalen“ 10 unterschiedliche Kategorien rechtlicher Aufenthaltszustände vor. Dabei müssten internationales Recht (z.B. Genfer Flüchltlingskonvention), europäisches Recht (Euroepäische Menschenrechtserklärung) und deutsches Recht (Grundgesetz, Aufenthaltsgesetz, Asylverfahrensgesetz) beachtet werden.

Ein besonders fataler Eingriff in das Asylrecht sei die sogenannte Drittstaatenregelung gewesen, die die Anerkennung eines Asylrechts nach Art. 16 a GG für solche Asylsuchenden ausschließt, die auf dem Landweg bei uns eintreffen. Durch die Verfassungsänderung 1993 sei das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt worden. Zusammen mit dem Asylbewerberleistungsgesetz sei es nicht mehr um den Schutz der verfolgten Menschen gegangen, sondern um eine Abschottung der Bundesrepublik nach außen. Burkhard: „Es sollten sogenannte Fluchtanreize abgeschafft werden. Spitz ausgedrückt heißt das: Durch schlechte Behandlung wollte man die Asylsuchenden schnell wieder los werden. In ihren Heimatländern sollte sich herumsprechen, dass es besser sei, nicht nach Deutschland zu fliehen“. Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass die hier in Deutschland Schutz suchenden Menschen sehr wohl eine große Bereicherung für unser Land und die hiesigen sozialen Systeme darstellen können, wenn man sie nur anständig aufnimmt und unterstützt.

Esmath Shirazi berichtete über eigene Erfahrungen nach ihrer Flucht 1996 aus dem Iran. Sie hätte die Erfahrung gemacht, was es bedeutet, zwar aufgenommen aber nicht betreut zu sein. „Einfach abgesetzt,“ so habe sie ihre Ankunft empfunden. „Wir brauchen kein Mitleid, aber wir benötigen Hilfe.“ Immer wieder gebe es bei den Deutschen Äußerungen wie „Ihr wollt nicht arbeiten, ihr kommt hierher, um besser zu leben“, die falsch seien und verletzten. Das Alleinlassen sei ein Problem: „Keiner fragt, wie es uns geht.“

In Anknüpfung an die Darstellung von Esmath Shirazi wollen Ratzeburg und der Kirchenkreis jetzt tätig werden. Als erstes soll ein Raum der Begegnung geschaffen werden. Der projizierte Runde Tisch könnte in der Volkshochschule angesiedelt sein. Wichtige Grundlage für alle Flüchtlinge sei das Erlernen der deutschen Sprache. Ohne Sprache keine Bekanntschaften oder gar Freundschaften. Das Sprachangebot müsse vom ersten Tag an da sein. Die anwesenden BürgerInnen würden gern bei Arztbesuchen, Einkäufen, Behördengängen, Kita- und Schulangelegenheiten, Freizeit- und Gruppenangeboten Unterstützung geben.

Aus der Veranstaltungsankündigung:
„Ratzeburg hat von je her Menschen aufgenommen, die aufgrund von Flucht und Vertreibung ihre Heimat verlassen mussten, in ganz erheblichen Maße nach dem 2. Weltkrieg, aber auch in der jüngeren Vergangenheit, wenn kriegerische Konflikte oder Bürgerkriege Menschen um ihr Obdach brachten. Auch heute, in einer Situation in der Millionen von Syrier mit ihren Familien versuchen, vor der Gewalt im eigenen Land zu fliehen, zeigt Ratzeburg Mitgefühl und Aufnahmebereitschaft.“, so skizziert Bürgermeister Rainer Voß die Motivation von zahlreichen engagierten Bürgerinnen und Bürger in der Stadt, sich intensiv mit dem Thema „Flucht und Vertreibung“ auseinanderzusetzen, wie zuletzt auf den Veranstaltungen zum Tag des Flüchtlings 2013.
Nun soll als nächster Schritt ein „Runder Tisch Willkommenskultur und Flüchtlingsbegleitung Ratzeburg und Umgebung“ gegründet werden, der am kommenden Donnerstag interessierte Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit geben soll, sich über die aktuelle Situation von Flüchtlingen in Ratzeburg zu informieren, sowohl in rechtlicher Hinsicht, aber auch mit Blick auf die persönlichen Erfahrungen, die Menschen auf der Flucht machen.
Auf Einladung der Stadt Ratzeburg und des Kirchkreises Lübeck-Lauenburg, vertreten durch Pastorin Elisabeth Hartmann-Runge von der Ökumenischen Arbeitsstelle, wird Stefan Schmidt als Beauftragter des Landes Schleswig-Holstein für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen zunächst einen Überblick zur aktuellen Flüchtlingssituation im Land geben. Burkhard Peters, Rechtsanwalt in Mölln und Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags, wird nachfolgend die rechtliche Situation von Flüchtlingen beleuchten. Was Flucht für den Menschen bedeutet, möchte anschließend Esmat Shirazi näherbringen, die als Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes das prämierte Projekt „Willkommen im Kreis Herzogtum Lauenburg – Ankommen in Gudow“ betreut und selbst als Flüchtling nach Deutschland kam.
Im Anschluss sind alle Anwesenden eingeladen, ins Gespräch zu kommen und gemeinsam festzulegen, was an praktischer Hilfestellung für eine „Willkommenskultur“ in Ratzeburg getan werden kann und wer sich verbindlich in die Arbeit dieses „Runden Tisches“ einbringen möchte.

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