13. Juni: Kein Gift in den Kreisforsten!

Rede von Kornelia Mrowitzky im Kreistag am 13. Juni 2019

Sehr geehrter Herr Kreispräsident, sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren,

über unseren Antrag „Kein Gift in den Kreisforsten“ wurde schon im Vorfeld viel diskutiert, Herr Marohn hat in der heutigen Ausgabe der LN die Frage aufgeworfen, ob unser Antrag rechtswidrig sei.

Die Kreisforsten sind durch Kreistagsbeschluss seit 2000 ein FSC-zertifizierter Betrieb, das heißt nach den ökologisch-sozialen Vorgaben des Forest Stewardship Counsil zertifiziert. Nach diesen – freiwilligen - Kriterien ist der Einsatz von PSM grundsätzlich untersagt, es sei denn eine übergeordnete Behörde hat dies aufgrund einer außerordentlichen Bedrohung angeordnet. Eine Anordnung des LLUR liegt inzwischen vor, seit letztem Herbst werden Insektizide in den Kreisforsten eingesetzt: In Form von begifteten Fangnetzen und Anwendungen mit einem Insektizid auf liegendem Stammholz.

Landrat und Fachdienstleitung sind nach ihrer Dienstauffassung und ihrem Verständnis der Rechtslage zu dem Schluss gelangt, dass eine Verpflichtung zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in unseren Forsten besteht; denn der Fall der Ultima Ratio, des letzten Mittels der Wahl sei bei der Borkenkäferbekämpfung ihrer Einschätzung nach eingetreten. Dies ist auch der Grund, warum der Landrat unseren Antrag für nicht rechtsfähig hält.

Wir respektieren die Auffassung der Verwaltung, halten aber dennoch an unserem Antrag fest; denn uns geht es auch um etwas ganz Grundsätzliches.

Denn mit dem erstmaligen Einsatz von PSM nach über 20 Jahren giftfreier Bewirtschaftung vollzieht sich gerade ein Paradigmenwechsel hin zu einer Forstwirtschaft, die auf die Hilfe der Agrarchemie setzt, anstatt natürliche Regulierungsprozesse der Ökosysteme zuzulassen. Und das zu einer Zeit, in der sich weltweit ein dramatisches erosionsartiges Artensterben vollzieht und berechtigterweise immer mehr Forderungen nach effektiven Biodiversitätstrategien und Artenschutzprogrammen laut werden. Alle reden davon.
Aber wenn wir es ernst meinen, müssen wir auch handeln - und das hier und jetzt und auch in Kauf nehmen, dass kleinere Fichten-Flächen vorübergehend kahl fallen. Bei uns sind es nicht mehr als 15 % insgesamt, wobei vielleicht nur 5% davon im Wirtschaftswald betroffen sind.

Das Holz lässt sich ja weiterhin verkaufen. Und es werden neue, stabilere Mischwälder entstehen. Das Argument, dadurch werde mehr gebundenes CO2 frei stimmt in der Gesamtbetrachtung nicht, durch die Beschleunigung des Umbauprozesses, wird es langfristig gesehen auch früher wieder stabil gebunden.
Wir sind mit dem Umbau unserer Wälder zu stabilen Mischwäldern und weg von den anfälligen standortfremden Nadelholzmonokulturen ein gutes Stück vorangekommen.

Der Patient Fichtenwald liegt auf der Intensivstation und wird mit einem immensen Aufwand künstlich am Leben erhalten. Das eingesetzte Gift wird keinen anhaltenden Nutzen haben - es wird den Tod des Patienten nicht aufhalten können.

Jetzt vollzieht sich, was schon lange absehbar war, wir sehen die Folgen einer falschen Waldwirtschaft der Vergangenheit, Monokulturen an Standorten, wohin sie nicht gehören - die Fichte ist eine Baumart der Berge und der kälteren Regionen, die jetzt in Folge des Klimawandels noch mehr unter Druck gerät. Man kann es auch so sehen: Der Borkenkäfer vollendet jetzt - schneller als geplant - den Prozess des Waldumbaus.

Wie groß ist der tatsächliche Schaden? Ich habe noch keine belastbare Kosten-Nutzen-Analyse gesehen, die den langfristigen Nutzen von Gifteinsatz belegt und auch die ökologischen Folgekosten mit betrachtet.

Durch ständige Eingriffe des Menschen - wir haben es am Beispiel der Landwirtschaft gesehen - destabilisieren wir das natürliche Regenerationspotenzial von Ökosystemen, schädigen wir auch diejenigen Organismen, die für eine gesunde Funktion des Naturhaushaltes wichtig sind. Wir müssen der Natur mehr Raum geben, wir müssen ihr Zeit geben, sich zu regenerieren und aufhören, immer wieder störend einzugreifen. Und wir müssen angesichts der zunehmenden Extremwetterlagen, wie lange Dürreperioden, gefolgt von Starkregen oder Stürmen auch unsere Erwartungen an den wirtschaftlichen Ertrag zurückschrauben.

Der Einsatz von Gift mit all seinen Kollateralschäden, dem Töten von Nichtzielorganismen, verursacht eben auch, dass beispielsweise beim Anrücken der nächsten Kalamität, des Eichenprozessionsspinners,  Schlupfwespen und Laufkäfer als natürliche Feinde entsprechend wegfallen.

Nach der Giftanwendung ist vor der nächsten Giftanwendung.

Weitere Kalamitäten werden folgen: Nonne, Maikäfer, andere...Was werden wir dann tun?  Mit den jetzt ergriffenen Maßnahmen  - manche mögen sagen vergleichsweise harmlosen Eingriffen - wird es nicht getan sein. Andere, vielleicht umfangreichere, werden folgen. Wollen wir das? Ist das mit einer ökologischen Waldwirtschaft, mit einem Erholungswald wirklich vereinbar?

Wir haben den höchsten Waldanteil in Schleswig-Holstein, unsere Kreisforsten sind als Naherholungsgebiet der Metropolregion Hamburg und für den Tourismus in unserem Kreis von unschätzbarem Wert.
Die weitgehend ungeklärten Fragen der Migration des Insektizids, eines Nervengifts, seines Verhaltens und seiner Reaktivität im Boden, seiner möglichen Auswirkungen auf das Grundwasser und der unfreiwillige Abdrift sprechen gegen einen Gifteinsatz. Der Hersteller des Pestizids selbst trifft nur Annahmen auf Basis der Einzelkomponenten und übernimmt auch ansonsten bei vorgeschriebener Anwendung keine Verantwortung. Die Wirkung des Mittels FastacForst wird mit 6 Monaten angesetzt. Und danach?
Können wir nach der Giftanwendung noch überall gefahrlos Pilze sammeln? Bestimmte Pilze werden gerade in Nadelholzgebieten gesucht. Die unterirdischen Teile der Pilze bilden riesige Verzweigungen und Verbindungen. Was passiert mit den vielen begifteten Borkenstücken, die von den Stämmen der Holzpolter, also Holzstapel, die vorher mit dem Nervengift abgesprüht wurden, abspringen, wenn sie abtransportiert werden und sich überall auf der ganzen Strecke verteilen?
Können Kinder noch gefahrlos die Borke mit dem tollen Bohrmuster sammeln und mit ihnen spielen?
Nimmt der Hund Schaden, der auf einem Spaziergang diese Holzteile aufnimmt oder an ihnen schnüffelt?
Was ist mit den Bauherren, die ohne es zu wissen, begiftetes Holz in ihr neues Ökohaus einbauen?

Unserer Auffassung nach löst der Einsatz von PSM keine Probleme, er erzeugt neue, oft mit zeitlicher Verzögerung.

Ich bitte um Unterstützung für unseren Antrag.

Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit nehmen wir in Kauf. Wir sehen diesen Antrag auch - aus gegebenem Anlass - als unseren ersten Aufschlag für die Zielsetzungsdiskussion - der Kreistag wird im Herbst über die Ziele entscheiden, die für die nächsten 10 Jahre für unseren Wald gelten sollen.
Wir halten den Einsatz von Giften für den falschen Weg.

Daher heißt unser erstes Ziel: Kein Gift in unseren KF!

zurück